annemarie |
Samstag, 29. April 2023
zustände
ach annemarie, 12:23h
mit pa die letzten wochen in praxen und in kliniken.
in den praxen trugen alle masken (personal und docs) in den kliniken keiner. nur pa und ich. während im freundes- und arbeitskreis etliche mit infektion niederliegen.... ich fühlte blankes ensetzen, weil ich pa so gut durch die pandemie bekam und ihn nun solcher gefährdung ausgesetzt sah. die eine augenambulanz war dermaßen überfüllt, auch die, für privatpatienten. 7 stunden mußten wir warten, er als 91jähriger notfall. diese eine musste es sein, da nur dort ein spez. chirug augen entfernen kann. in ganz berlin nur ein mensch, der solche eingriffe vornimmt. immerhin haben sie ihm für mitte mai den op-termin gegeben, aufgrund seines hohen alters und den schmerzen, die durch kein medikament zu behandeln/lindern sind. bis dahin sitzt er in abgedunkelten räumen und leidet. ach papa. ... link (3 Kommentare) ... comment (701) Freitag, 17. Mai 2019
ach annemarie, 15:53h
es begann am frühen dienstagabend.
der weg zu den "marktschwärmern" ging durch den alten kiez in schöneberg. da lebte ich seit den 80er jahren, war aber weit vorher in dortigen lokalitäten unterwegs gewesen. ich kam nicht vorwärts und erkannte wenig wieder. die touristen liefen mehrreihig auf dem schmalen bügersteig, blieben oft unvermittelt stehen. sie hatten die qual sich aus dem unendlich wirkenden angebot von bars, imbissen, schokiläden, falaffelbuden, asiatischen restaurants, indischen restaurants, italenischen restaurants, ...., schmuckläden und modegeschäften, etwas herauszusuchen. alles was ich kannte gab es nicht mehr, sogar der müde dharma-buchladen war geschlossen. einen bekannten blumenladen fand ich, ging hinein und ging wieder hinaus. eine einzelne christrose ab fünf euro. als normale haushaltseinkäuferin war ich sehr fehl am platz. an der ehemaligen lieblingskreuzung akazien-/grunewaldt-/goltzstraße musste ich tief durchatmen. mein altes haus leuchtete rot, im hausflur hingen kronleuchter. ich war dort lange hausmeisterin gewesen. am klingelbrett standen noch 2 mir bekannte mieter. immerhin. ausser dem copyshop ecke grunewaldtstraße gab es nur noch den teeladen in der goltzstraße. ach, und die fachhochschule für erzieher, die war auch weiter in betrieb. sonst nichts mehr, alles war mir fremd. vor dem roten haus stand ich und rauchte eine, drehte mich mal zum copyshop und dachte an o., dann erinnerte ich mich an a., mit dem ich viele jahre hier lebte. ein halber dreher und ich schaute auf die fenster von bruderherzens wohnung, genau gegenüber. mit ihm hätte ich wunderbar tratschen können, über die großen veränderungen hier. die akzien-, grunewaldt- und goltzstraße sind eine freßmeile geworden. und trinkhalle ohne dach. und ankleidekabine ohne diskretion. die anwohner (ich sah etliche aus den großen toreinfahrten herauskommen, da ich nur langsam voran kam) sprachen definitiv kein berlinerisch und fuhren mit ihren rädern, meist mit überdachtem kinderliegeanhänger daran, seelenruhig auf dem bevölkerten bürgersteig. und das, obwohl die straßen alle asphaltiert sind, auch angenehm autoleer. sie klingeln gerne, damit man platz macht. irgendwann ging ich dann auf der fahrbahn und war sehr müde, als ich in der barbarossastraße ankam. im kopf ging ich den stadtplan durch, suchte mir für den nächsten verkauf eine ganz andere anfahrt aus. mir ist klar, daß sich alles stetig verändert und mir ist auch bewußt, daß ich als autistin veränderungen nicht gut vertrage. doch diese konzentration von teurem konsum auf insgesamt ca. 2km länge macht mich traurig. das erinnert mich an die oranienstraße in kreuzberg, dort aber halten doch noch einige alteingessene tapfer durch. ja sicher war ich auch traurig wegen der verknüpfungen mit geliebten menschen. dort. die nicht mehr bei mir sind. abends lag ich lange wach und dachte an meine omi. wie sie sich, in ihren 90er lebensjahren, aus allem langsam zurück zog. ich habe das gefühl, mir geht es jetzt auch so. ... link (3 Kommentare) ... comment (728) Sonntag, 19. August 2018
Herr Horn im Keller (originalzitat, beim kohlenholen im keller gehört / 1979)
ach annemarie, 12:38h
Ja meine Dame darf ich um ihre Aufmerksamkeit Jaja setzen sie
nehmen sie Platz. Wissen sie meine Tochter nach 23 Jahren um 22 Uhr meine Tochter kommt am Sonntag achnatürlich war sie seitdem zweimal hier Wissen sie sie ist hier in der Rostocker geborn 4 Häuser weiter haben wir damals gewohnt und 48 kam ich aus Russland zurück im Zug und ich wusste janich daß mich jemand abholt vom Zug und dann stand sie wissen sie aufm Kopp hatte sie son Turban und der Mund war so rot und dann sagte sie `Bist dus Baba` ja ich war so alt geworden Und dann kam ich nachhause und Muttern sachte `Da kommt der erste` mein Bruder kam späta und dann fragten sie `Haste wat zu essen mitgebracht`und ich sagte `Ja und Dollas` und ich hatte ne englische Uniform die hatte ich an und dann geh ich zum Rathaus wissen se da unten bei Boeldicke und dann hielt eine englische Streife und ich hatte doch die Uniform und dann gab ich den Zettel und sagte `Ja Sir!` und denn sagten sie ich darf wat beantragen und det hab ick ja wat sagen sie ich hab ne Jacke beantragt ne Jacke und n Fahrrad hab ick bekommn haha und abends sagte meine Mutzi ja so nenn ich sie heute noch `Ich geh jetze tanzn` und ich sagte na ich wollte aber meine Mutter guckte so naja ich war det nich jewöhnt Später sind wir hingefahren da hat sie geheiratet 170 Personen 170! und ich fragte sie `Kommt die Queen auch?` nee sagte sie `Die Queen kommt nich` haha Wir fuhren mit dem Zug durch Holland und da sagte der Zugführer daß er uns ne erfreuliche Mitteilung machen könne die englischen Schiffer streiken und denn ham wa 13 Stundn in som holländischn Bahnhof jewartet ich kann ihnen sagen ich kenne viele aba den kenn ich am besten haha Sie versucht mich ja zu bekehren sie is bein Zeugn Jehova aba ich bin nich empfäglich für sowas sind sie das? – Nein ich auch nicht Aber wissen sie ich war Soldat det war 44 un ich hatte 2 Lederkoffer 2 richtige Lederkoffer und denn sind der Alfred ein Kumpel wissense der aus Neukölln In Südtirol da steht Fleischer also ich und der Alfred da rein und fragn `Könnse die jebrauchn?` `Nee könn wa nich, wat wolln se dafür?``5 Pfundt Kartoffeln für Bratkartoffeln und hamse Fett zum braten?` Nee er gibt uns Speck und Kartoffeln und wir sehn n Türschild da steht Müller wir denkn is doch n Deutscher da muß man klingeln sie macht auf und wir sagen `Wir ham Kaffotas und Speck` und sie macht denn Bratkartoffeln denn sagtse `Is fertig aber wir müssen auf Hochwürden warten` und ick denk `Ich hab schon soviel erlebt da werd ich auch Hochwürden verkraften` und denn issa da und alle beten und Alfred und ick wir stehn auf un salutiern und denn guckt er mich an der Hochwürden und sagt `Die Uniform werden sie nicht mehr lange tragen, sind se denn evangelisch oder katholisch?` ich sage `Herr Pfarrer ich bin 1923 aus der Kirche ausgetreten` und denn gibt er mir eine kleine Plakette nachdem ich ihm meine Lebensjeschichte erzählt habe und er schenkt mir Jakob oder so neee Christopherus den Schutzheiligen der Fernfahrer und wissense ick war nachm Krieg üba 20 Jahre Fernfahrer ohne einen einzigen kleinen Unfall ja und die Plakette hab ich heute noch aber ein Auto würd ick mir nich mehr kaufen heute Ja achso ja und ich dank ihnen meine Dame für die Freundlichkeit darf ich ihnen für heute jedenfalls also alles gute meine Dame ... link (4 Kommentare) ... comment (788) Mittwoch, 18. Juli 2018
der anker ist gekappt
ach annemarie, 13:10h
23:08 uhr, leicht beschickert glitt ich im taxi durch steglitz,
der fahrer drehte jazzradio lauter, kurbelte die fenster herunter und bedankte sich am ende bei mir. "was für'n abschluß" dachte ich später im bett, "wie oft beendeten wir einen abend daß du rathaus schöneberg ausstiegst und ich am liebsten mit dir ewig so weitergefahren wäre...." den morgen über lief ich mit einer küchenrolle je achsel rum, viel aufregung und eine kleine angst. am friedhof war ich anderthalb stunden zu früh. ein mann mit orangener sonnenbrille und ramones-shirt gehörte doch nicht zu uns, aber wir fanden zusammen. er erzählte mir vieles und da wir auf einem friedhof standen, ging es um sterben und überleben. wir wünschten uns gegenseitig noch viele jahre; ob er ahnte, wie mir das zuhören half die zeit zu überbrücken? ich rauchte vor den toren, weit hinten sah ich dann seine mama, wie gefaltet im rollstuhl, zart und fast durchsichtig. seine schwester hielt schöne blumen, frau mamas strauß lag im schoß. beide also auch viel früh. mementos kamen an, trugen seine urne und nach einem langen zögern mit einem blick auf frau mama, nahm ich seine asche in die arme. drehte mich um, dachte meine kniee knicken weg - der schmerz schnitt mich, sehr tief, sehr stark und ich konnte das erste mal um ihn weinen. es war intim, ich hatte keine gedanken, fühlte nur und schwindelschnell zog unsere gemeinsamkeit an mir vorbei. die vorherigen trauerfeiern wurden ausgeläutet. schwarzgekleidete gruppen strömten hinaus und wir vervollzähligten uns hinein. dadurch daß unsere die letzte abschiednahme an diesem tag war, bekamen wir stille und zeit. zeit, damit jeder in den kleinen raum gehen konnte, um den ersten kontakt mit seiner asche zu knüpfen. sie lag, und sie liegt bis alles in der erde vergeht, in einem konstrukt aus bemaltem filz. von unten umrundet das meer einen himmel und berührt dabei die sonne. maritim sah das aus, als läge er mitten im wasser. geruch von vielen lichten, rosenblütenblättern. kühle und ein angenehmes dämmern. die technik wurde getestet, noch eine rauchen, warten auf nachzügler. aber wie schnell dann seine letzte reise doch begann: aus dem raum heraus in die sonne trug cassandra die urne bis zu uns übergab in meine arme ich lief einfach los übergab ihn an seine schwester sie trug ihn bis zum grab und wir hielten an standen still mit einer fuge von bach, sein vater spielte die orgel seine mama schaute und versuchte zu begreifen wir alle zogen unsere blicke in den fünf minuten bach von dem schwarzen tiefen loch auf die blumen und wieder hin und wieder weg plötzlich, so kam es mir vor, wurde die urne hineingesenkt eine kurze rede an ihn wieder spielte sein vater für uns spielte für ihn danach dann fiel erde, ein kristall, eine kastanie, schwebten blütenblätter - seine mama beugte sich schüttete sorgfältig alle blüten aus der schale bedeckte die schwärze und wir drehten uns um und gingen den weg allein zurück. ... link (1 Kommentar) ... comment (685) Dienstag, 8. August 2017
auf der straße / XX / unterwegs mit axel / ca.1984
ach annemarie, 22:16h
er hatte das auto und genügend geld für benzin, meines reichte für eine pizza und zwei kleine bier.
wir waren schon jahre nicht mehr ein paar, konnten aber nie so ganz voneinander lassen. vertraut und eingespielt. reden, manches mal schweigen. gelegentlich ein bißchen sex. nach diesem redeten wir meist über die aktuellen beziehungen. über musik, gemeinsame freunde die abstürzten oder aufstiegen. er schenkte mir tapes, ich ihm einen friseurbesuch. unsere frisuren waren das intimste, worüber wir uns unterhielten. wir gingen aus oder tranken tee am kachelofen, suchten neue "locations" auf, in denen wir cool rumsaßen und uns scheußlich langweilten. einen herbsttag schlug er vor, daß wir alles was wir besaßen für eine tour lockermachten. nur raus hier, raus aus der stadt und fremde luft schnuppern. der uralte benz war groß und bequem, wir hatten eine volle schachtel benson&hedges, auf nach hamburg. dafür reichte eine tankfüllung. auf'm rücksitz das köfferchen mit tapes, ich meine füße hoch und auf zur grenze. ausweise? ausweise dabei. nach den ersten holperkilometern in der ddr kam vorfreude auf. wir kicherten, drehten die mucke voll auf und hatten ein freiheitsgefühl. gute laune! raus aus dem knast! sagte er andauernd. meine augen gaben ihm recht, sie saugten die weite auf. ich sang schon immer gerne lauthals mit, sofern ich voller vertrauen war. ihm gefiel das, er meinte, wir sollten mal über background reden....später. eines von vielen projekten, die wir nicht mehr ansprachen. nach der zweiten kontrolle, hatten wir die die ddr hinter uns uns. fanden hamburg, verfuhren uns in hamburg. und ernüchterten. fremd, aber nicht schön fremd, eher wie ein tourist. wir teilten uns eine pizza in st.pauli, tranken das kleine bier, rauchten eine und fuhren zurück. einen kleinen kuß und tschüß. später erzählten wir uns und anderen davon, als hätten wir ein abenteuer erlebt. ich denke in letzter zeit öfter mal an die sause mit axel; ich liebe diese erinnerung an ihn. ich weiß noch, wie es in dem benz gerochen hat, was wir anhatten und wie schrecklich die pizza geschmeckt hat. gesungen hab ich mit den undertones und alice cooper. wir lachten über unsere ausweisbilder. ein behelfsmäßger ausweis, die grenzer, die spiegelkontrolle unter dem auto und leibesvisitationen, darüber sprachen wir auch. ich liebte ihn sehr, den axel und ich liebe ihn noch. der tod beendet das leben aber keine beziehung. ... link (3 Kommentare) ... comment (722) Freitag, 21. August 2015
gedanken an peter radszuhn
ach annemarie, 15:10h
ich hörte bis in den morgen radio und dachte an den kommenden tag, den 20. dieses monats.
zwei monate zu früh, sein erster todestag ist der 20.10.; aber was soll´s dachte ich und wenn ich jetzt schon darüber schreiben will, dann tu ich das. die erinnerungen und gefühle noch einmal einzufangen, würde mir nicht mehr gelingen. ausgerechtet bei meinem ersten besuch des stammtischs "der damaligen" traf ich ihn wieder. und leider zum letzten mal. ich saß mit dem rücken zur wand, ganz am ende des tresens und sah wie sich der große mann durch die menge schob; er sah mich an, kam zu mir: ich kenne dich! ohne jegliches fremdeln sprachen wir. mittendrin erst, fragten wir nach unserem namen. das mag sich komisch lesen, hat aber seinen grund in unserer vergangenheit. wie er treffend beschrieb, beide die einzigen weißköpfe in der bar, fremdelnd eher mit der ablaufenden gruppendynamik und ganz in unser gespräch vertieft, als wäre da nichts weiter - so am rand, so trafen wir uns nämlich in früheren zeiten. ohne formelles vorstellen.... ich erkannte ihn als den, den ich als junges ding wahrnahm, der große dünne, der meist an der wand lehnte und schaute, dabei aber nicht abweisend wirkt. neugierig und offen, bewegte er sich genau wie ich durch lokalitäten und treffpunkte; er war nicht in einem bestimmten kreis weggeschlossen, er wollte alles anschauen und mitbekommen was sich tat. durch meine kumpanei mit den menschen, die bei konzerten den einlaß regelten und meinem unvermögen es inmitten der konzertbesucher lange auszuhalten, stand ich bei den unterschiedlichsten meist vorne am halleneingang. (ausser bei dem berüchtigten dead kennedys konzert, da schaffte ich es nicht wieder heraus aus der gepressten masse.) dadurch trafen wir uns immer wieder, ich glaube er nahm soviel musik mit, wie er kriegen konnte. da ich keinen eintritt zahlen brauchte, war ich 3,4 jahre immer dort wo er auch war. oder war er dort wo auch ich war? völlig egal. ohne je enge freunde geworden zu sein, waren wir uns sympathisch, haben guten gesprächsstoff gehabt und ausgiebig genutzt, bis wir uns aus den augen verloren.... an diesem punkt haben wir wieder angeknüpft, die jahrzehnte die dazwischen lagen wischten wir beiseite. in den wenigen stunden die wir hatten fassten wir einen plan. er war es, der die idee formulierte: ein einmaliges treffen derer die zu der zeit, als wir begannen all das neue zu leben, mit uns waren. eine art shizzo-stammtisch, mit absoluter geheimhaltung, damit es auch bei dem angedachten kreis blieb. er wollte "tempo" dafür noch einmal zusammenführen; des weiteren hätten wir versucht soilent green, die betoncombo und/oder stromsperre und noch die eine oder andere band dafür zu begeistern. wir fanden heraus, daß wir uns beide intensiv mit der vergangenheit beschäftigen, daß die jahre 1977/78/79 ziemlich unterbewertet werden, aber doch so wichtig (jedenfalls für uns) waren. erst ende ´79 zerfiel "alles" in strenger getrennte fraktionen; logisch, es gab ja auch mehr und mehr zulauf. bis dahin gab es eine friedliche (!) koexistenz von linken skins, einigen teddys, den ur-punkern und leuten, die sich nicht so exakt einordnen lassen konnten/wollten. man, wir hatten beide irre lust darauf, darüber "was" auf die beine zu stellen! er wollte seine, durch seinen beruf sehr intensive, kontakte nutzen, ich wollte alte wiederauffrischen. erstmal mailen, dann treffen und schauen, wen wir ins boot bekommen würden. so gingen wir auseinander; ich schob das mailen vor mich hin und er starb. jetzt hab ich ihn für immer aus den augen verloren, nicht aber aus meinem sinn. seine neugier, sein unbekümmertheit mit der er über grenzen ging (was hatten sich "die punks" an neuen konventionen erschaffen!), seine warmherzigkeit und diese leuchten innen augen wenn er begeistert war - all das fehlt. unsere idee wollte ich erst im alleingang - zu seinem gedenken - verwirklichen. aber, so etwas kann ich nicht, dazu bin ich nicht in der lage. mittwochnacht lag ich und hörte radio und fand es schade, seine schöne stimme nicht mehr hören zu können. und das, was er so aus´m nähkästchen plauderte.... irgendwann gegen morgen fühlte ich mich dann aber wohlig zuhause in meinen erinnerungen und war auf einmal nicht mehr traurig. ... link (0 Kommentare) ... comment (540) Freitag, 19. Juni 2015
man-man-man
ach annemarie, 12:08h
obwohl sich in meinem portemonnai nur müde furzende centstücke befanden wollte ich mir gestern den ersten celan kaufen.
in der friedenauer buchhandlung, die ich noch nie besucht hatte; ein nachbargeschäft des meinen. hineinspaziert und meinen wunsch gesagt, bekam ich ein o-lalá zur antwort. herr buchhändler setzte sich an seinen pc und suchte; ich hatte gesagt, daß ich in das werk von celan "mal reinschnuppern" wollte, es täte aber auch für den anfang eine biographie. er suchte, schaute auf und fragt ob ich den namen buchstabieren könnte. ich war durch diese frage einem synapsengewitter ausgeliefert - so daß mir nicht gleich die buchstabenfolge einfiel und ich tatsächlich unsicher war, ob er auf die art geschrieben wird. wie kann ein buchhändler nicht wissen wer paul celan ist?? c-e-l-a-n ähh paul mit vornamen sagte ich und sah, daß nun dem herrn buchhändler ein solches, wie mein vorheriges gewitter hinter der stirn tobte. sie meinten nicht percy sledge? nein, ich sagte paul celan. percy sledge kam mir bekannt vor, während ich grübelte wer das ist lief herr b. ziemlich rot an. wer ist percy sledge? fragte ich weiß ich nicht, deshalb habe ich ja gesucht, sagte herr b. schöner name für einen autor, aber den will ich nicht - den gibt es auch nicht - doch den gibt es - aber nicht in meinem verzeichnis - ich will paul celan! bekam ich und einen neuen kunden für einen hörtest. percy sledge ist auch klar; gehört aber in die reihe musik. ... link (0 Kommentare) ... comment (813) Samstag, 15. November 2014
herbst. (für c.)
ach annemarie, 10:34h
das wildtaubenpaar läßt sich schaukeln sitzt auf dem obersten zweig und schnäbelt schnell denke ich schnell raus und dann schiebe ich blätter vor mir her und sauge den geruch diesen herrlichen herbstlaubmodergeruch tief hinein fülle mich mich bis unter die stirn nehme ihn mit in das u-bahnabteil in dem kleine kinder toben wie blitze üben sie das halten und schleudern sich um die stangen und ich bekomme karamellbonbonduft vermischt mit penaten dazu und denke an die flachen karamellbonbons für einen pfennig das stück die höheren kosteten zwei pfennige und bin glücklich bis sich der waggon parfüminiert.
hinaus hinaus und an kreisrunde röte auf wangen denken an die zähe kleberei in den furchen der backenzähne an braunen kandis den kinderzähne furchtlos knacken konnten und an den alkoholischen geruch von fallobst in gelben wiesen um die aussenwelt mit ihren nagelstudios und spielcasinos zu übersehen und nur ganz selten noch riecht man einen kohleofen so wie neulich in der gotzkowskystraße als ich aus dem café ging mitten in die frühzeit. ... link (0 Kommentare) ... comment (740) Sonntag, 19. Oktober 2014
zum 25.jahrestag des falls der berliner mauer
ach annemarie, 13:34h
wird vom 01.11. bis 09.11. eine ausstellung und filmreihe im deutschen historischen museum / zeughauskino / unter den linden 2
stattfinden: "borderland audiovisuelle quellen zur berliner mauer" (vollständiges programm unter: dhm.de/zeughauskino/filmreihe/borderland-berlin.html) einige filme/dokus sind noch nie öffentlich gezeigt worden und im foyer werden bisher unbekannte fotos und filmsequenzen gezeigt. darunter befindet sich ein ausschnitt des films "leerstelle", der von axel atta maikath und mir 1981/82 gedreht worden ist. vielleicht hat der eine oder andere berliner blogger zeit und lust sich das anzuschauen. ... link (0 Kommentare) ... comment (778) Samstag, 4. Oktober 2014
berlinische leben / auf dem weg zur straße / internat 1974-1979 / lesung 2014
ach annemarie, 14:53h
unser alltag zuhause war quälend geworden; laut mit streit oder in wochenlangem eisigen schweigen.
im gymnasium hatte ich jeden tag ärger mit meinem klassenlehrer, bis er es schaffte, daß ich der schule verwiesen wurde. eines abends fragten mich die eltern, ob ich einverstanden wäre, auf ein internat zu gehen. die schulzeit würde von montag früh bis samstag mittag dauern und das wochenende lebte man zuhause. ich sagte sofort zu. die ersten monate auf scharfenberg waren erholsam und aufregend. nie zuvor hatte ich in solch einem umfeld gelebt: auf einer insel im tegeler see, auf der es einen bauern samt tierischen zubehör, eine tischler- und eine metallwerkstätte, ein haus nur für musik und kunst, ruder-segel und paddelboote, einen wald mit seltenen bäumen und pflanzen, felder und äcker, einen eigenen fährmann und viele kleine wohnhäuser für uns schüler, gab. jedes haus hatte einen sozialarbeiter für tagsüber und einen, der die nächte dort verbrachte. einige lehrer wohnten mit ihren familien auch auf der insel, sie hatten kleine einfamilienhäuser, etwas abseits gelegen. der direktor lebte, auch mit familie, zentral inmitten der schülerhäuser. es gab einen großen speisesaal, ich genoss morgens die frischgemolkene milch, aß die mittägliche hausmannskost, nahm kaffee+kuchen und fehlte nie beim abendbrot, endlich keine kargen zuteilungen mehr! ich wurde immer satt und ziemlich rundlich. ab diesem moment hörte ich auf nahrungsmittel zu stehlen. allerdings musste mein bio-leistungskurs der tötung eines schweines unseres bauern beiwohnen; diese ging quälend von statten und ich wurde für die nächsten 20 jahre vegetarierin. ich lernte kleine kommödchen und regale selber herzustellen, lief stunden durch die felder und den wald, lag am handtuchgroßen inseleigenen strand, verschwand aber immer öfter im kunsthaus. meist erklang dort plätschernde klavierspielerei oder trompete in übung und das begleitete mich bei meinen erkundungen der druckwerkstätten oder beim stöbern in den materialien in den anderen räumen. es war alles vorhanden für linolschnitte, zum freien malen, kupfer für die kaltnadelradierung, lithographiesteine zum drucken, werkzeuge zum bildhauern. im normalen kunstunterricht lernte ich holzkohle selber herzustellen, nahm eine ölfarbenpalette in besitz, entdeckte das tuschen mit feder und meine bald heißgeliebten pastellkreiden. das nahm ich, ja saugte ich gierig auf und all das wissen darum hat mich bis heute nicht verlassen. leider lernte ich nicht das metallverarbeiten, dafür aber noch rudern, segeln und schlittschulaufen. es ging nur nach dem lustprizip, da ich hier nur mir selber überlassen war und so dann auch - unreif wie man mit 15, 16 ist - meine entscheidungen traf. zu beginn meiner inselzeit war rudi müller noch direktor; er nahm mich sofort in die schauspielgruppe auf und erlaubte mir so viele bücher wie ich wollte, aus seinem haus zu entnehmen. und er hatte viele bücher! sie fanden sich überall, sogar auf der treppe ins obergeschoss stapelten sie sich, mitsamt den stufen, hoch. leider wurde er ein jahr später ausgewechselt und lehrte nur noch an der hdk*. der neue direktor ist keine erwähnung wert. rudi musste sich opfern, da die insel ständig von schließung bedroht war. natürlich wegen finanzieller dinge... und wegen rudis freiem und toleranten führungsstil. wir schüler organisierten viele aktionen gegen die schließung, einmal war die abendschau da und an einem mittwoch kam jürgen jürgens mit seinem sfbeat-team und berichtete davon. dazu interviewte er eine schülerin - mich. so etwas traute ich mich, darüber staune ich noch heute. wir hatten erfolg, die schulfarm insel scharfenberg blieb bestehen. bis heute. meine mitschüler empfand ich als zwar als fremd, aber nicht als sonderlich bedrohlich. schnell fand ich kontakt zu den ältesten, die kurz vor dem abitur standen und mir versuchten schach beizubringen (vergeblich), mathe-nachhilfe erteilten (vergeblich) oder versuchten mich zu verführen, ebenfalls (vergeblich). die etwa gleichaltrigen sah ich nicht als eine homogene gruppe, verstand anfänglich aber nicht, was diesen unterschied ausmachte. wir 9-und 10-klässler kamen aus 2 bevölkerungsschichten: solche wie ich, meist aus ziemlich gutem hause (kinder von politikern, hochrangigen beamten, vorstandvorsitzenden, etc.). wir hatten unlösbare probleme auf unseren alten gymnasien und familien gehabt, und die anderen kamen als quereinsteiger von haupt- oder realschulen. sie bekamen zuhause nicht die nötige unterstützung, um abitur an einem tagesgymnasium machen zu können. letztere fraktion war konservativ bis nazistisch, die andere links, linker, am linkesten, aufbegehrend gegen das meist politisch rechts geprägte zuhause. die konservative fraktion ging zum großen teil in den polizeidienst und nach kürzlichen recherchen entdeckte ich, daß immernoch einige dabei sind.... frisch auf der insel verbrachte ich viele abende bei 2 deutschen und 2 türkischen jungen. die beiden deutschen waren echte nazis ( das wusste ich anfangs nicht, ich finde ja immer erstmal jeden nett) und die beiden türken stammten aus berlins reichsten immigrantenfamilien. ich sag nur: teppiche. mit einem der türken hatte ich die vorliebe für rock'n'roll entdeckt und er staunte über mein tanzvermögen und meine beweglichkeit. wir tanzten bis der schweiß unsere hände auseinandergleiten ließ. ich hatte spaß, bis ich eines abends durch die tür kam, in den schwitzkasten genommen wurde und mir "sei still, jetze keine fisematenten" ins ohr geraunt wurde. ich verstand nicht, was passierte und einer der beiden deutschen baute sich drohend vor mir auf. er war sowieso ein riesiger kerl und so blieb ich still. er kniff mich hier und da, versetzte mir boxhiebe, bis er mir mit den worten "wolln wa ma deine judennase plätten!" wirklich einen harten schlag auf meine nase gab. danach warfen sie mich aus dem raum. Wir tanzten nie wieder rock'n'roll zusammen und ich versteh bis heute zwei dinge nicht: warum die beiden türken da mitmischten und warum sie meinten ich hätte eine judennase. von meiner jüdischen abstammung erfuhr ich selber erst viele jahre später. verletzt, voll mit angst und ziemlich perplex zog ich mich in die andere fraktion zurück. die hatten aber genug mit sich selbst zu tun, genau wie die lehrer und sozialarbeiter. die lehrerschaft kam nicht unbedingt freiwillig von anderen schulen zu uns, sie waren alle sehr speziell, klagten wegen des anspruchs von vaterschaften, bei den alleinstehenden weiblichen lehrkräften bis vor die gerichte oder schrieben, wie mein musiklehrer z.b. an mich, schlüpfrige briefchen über pflaumen, die sie von jungen bäumen pflücken wollten. die sozialarbeiter kümmerten sich nur um dich, wenn du mit 15 schwanger wurdest und/oder heroinanbhängig, alles darunter war uninteressant. die linke fraktion verstand mich nicht, ich sie ebensowenig und so zog ich mich mehr und mehr zurück. ich war eben nicht sandelholzparfümiert, kannte keinen einzigen linken liedermacher, las nicht mao, war nicht frauenbewegt und nicht besonders sanft. trotz meiner parteinahme für salvador allende, konnte ich mit der verbissenheit und dem dogmatismus, der hier herrschte, nichts anfangen. ich nahm kein speisesaalfrühstück mehr, mittagessen immer seltener und abends holte ich mir schnell nur etwas fürs zimmer. vollends den halt verlor ich, als ich an den zuhause-wochenenden immer öfter im hausflur vor der elterlichen wohnung saß und vergeblich wartete. sie vergaßen mich und so ging ich dann nicht mehr zu ihnen. noch heute sind die beiden der meinung, ich wäre einfach nicht mehr aufgetaucht. ich fing an zu trinken. nach dem aufstehen kippte ich meist ein scheußliches sangriagesöff und ging brav in den unterricht. ich setzte mich in die letzte reihe und versuchte zu stricken. das war damals im unterricht erlaubt. einmal war ich nicht betrunken und kippelte auf meinem stuhl herum, da warf mich der lehrer raus - weil ich angeblich betrunken wäre. ich war empört. völlig zu recht! so kam es, daß ich außer dem kunstunterricht die stunden verträumte und verstrickte. die wochenenden und ferien verbrachte ich oft bei a., meiner einzigen freundin. sie war wie ich einzelgängerin und das verband uns. die anderen einzelgänger hatten seltsame vorlieben, wie exzessives hören von kraftwerk oder der ddr-band, die "über 7 brücken mußt du gehn..." jaulte, und sie waren zumeist männlich, rochen angestaubt bis säuerlich, da kam ein befreunden für mich nicht in frage. a. und ich stritten oft und heftig, fanden aber immer wieder zueinander, da wir uns gegenseitig schützen konnten. warum das so war, ist eine andere geschichte... ich fing an auszugehen und da a. in kladow wohnte, wo es nach 10 abends keinen bus mehr gab, machte ich meist durch. in der bleibtreustraße, am ku-damm, im meadow und kurz später entdeckte ich das ballhaus spandau; tanzen-tanzen-tanzen und das stundenlang. dort hörte ich zum 1.mal patti smith und war wie elektrisiert.... eines abends sah ich am u-bahnhof leopoldplatz 3 jungs, die sich in dem einfahrenden zug aus den offenen türen lehnten und irgendwelches zeugs brüllten. die sahen sowas von schau aus. lederjacken, schwarz und speckig, wirre haare. ich rannte zu ihnen, fragte sie nach treffpunkten und bekam schön schnodderig infos über das shizzo und die music-hall. damit war mein schicksal bestimmt, ich wurde punk! volle kanne! auf die insel kam ich nur noch sporadisch, ich lebte mal hier und mal dort, und auf der straße. keinen lehrer oder sozialarbeiter interessierte das, auch meine eltern versuchten nie, mich irgendwie zu erreichen. ein letztes mal fuhr ich am 3. februar 1979, meinem 18.geburtstag, nach scharfenberg und ich holte mir ein abgangszeugnis ab. in den folgenden jahren lebte ich wie es in "auf der straße" beschrieben wird. ich musste aber oft an die insel denken, an einige von meinen mitschülern. zum beispiel stand ich, mit den ersten frischen erdbeeren, an der ampel adalbert- ecke oranienstraße, und genoss den herrlichen geschmack. ich spürte, daß mir jemand hinterrücks sehr nahe kam und hörte diesen sagen: "schade. schade. daß wir niemanden mehr vergasen können. du gehörst vergast." das kam von einem ungefähr 40-bis 50jährigen mann. an seiner seite eine gleichaltrige frau. wie erfroren stand ich und konnte mich nicht mehr bewegen, während die beiden ruhig über die straße gingen. ich kannte das. wie oft hatte ich solche und andere schreckliche äußerungen von mitschülern gehört. mal an mich gerichtet oder dann wenn sie sich über andere menschen unterhielten. meine mitschüler waren jung, dieser mann war "alt". je länger ich mich erkennbar als punk durch meine stadt bewegte, desto häufiger bekam die dunkelbraunen äußerungen zu hören. als hätte ich ein schleppnetz hinten angebunden, fing ich sie mir ein, nur wegen meiner andersartigkeit. sie trauten sich - sie öffneten sich - sie zeigten mir, was in ihnen lebte. immernoch, weiterhin. nur dann laut vernehmbar, trafen sie auf "abschaum" wie mich. dann brach der damm und es wurde gegeifert und geschäumt und sie freuten sich endlich ein ordentliches feindbild zu haben. nach meinen erfahrungen auf dem internat wurde ihre braunen ansichten an die kinder weitergegeben. und selbst wenn mir jenny im shizzo nicht - zufälligerweise auch beim rock'n'roll-tanzen! - die nase gebrochen hätte, an meiner nase befände sich doch ein knick, seit jenem abend auf scharfenberg und ich muss bis heute daran denken, woher der knick kommt. *Hochschule der Künste, heute Universität der Künste. ... link (5 Kommentare) ... comment (1223) ... nächste Seite
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herzlichen dank.
in all...
herzlichen dank. in all dem streß wegen meines... by ach annemarie (2024.06.16, 09:48) danke sid.
ich brauche...
danke sid. ich brauche noch einige zeit.... by ach annemarie (2024.06.16, 09:43) |