annemarie |
Freitag, 12. Juli 2013
abschied I
ach annemarie, 11:04h
gestern legte er mir das letzte mal seine riesigen hände an meine wangen.
vorher fuhrwerkten sie in meinem mund und - es ist, wie immer, alles in ordnung. mit unfaßbaren 70 jahren hört er nun damit auf. absehbar war es und ich dachte oft nach, wann es soweit sei.... verließ aber die praxis unter schock, daß es nun wirklich soweit ist. ich verließ sie, ohne meine jacke, brille und tasche, so verwirrt war ich. als ich zu ihm kam, war ich ein haufen elend. ein traumatisiertes, zitterndes etwas, was nur aus angst bestand. beim ersten termin hatte er eine alte dame auf seinem stuhl, die keine narkose vertrug, wegen herzproblemen, und deren wimmern und stöhnen den warteraum füllte. flucht, das war mein einzig streben. aber dann kam er in den raum, setzte sich neben mich und erklärte mir die situation, nahm das erste mal mit seinen enormen händen meine und sagte, wie leid es ihm tue, daß ich das mitanhören musste. ob ich denn jetzt trotzdem beginnen möchte? ich wollte. er wußte über den frisch passierten "unfall" und wollte das abenteur wagen, mich zu behandeln. da lag ich mit zerstörtem kiefergelenk, angst vor lauten geräuschen, vor ärzten, vor situationen aus denen ich nicht herauslaufen kann und mein damaliger mann durfte meine füße halten, die beiden assistentinnen, r. und c., hielten jeweils eine hand. andere patienten waren in der anfangsphase meiner behandlung nicht anwesend; diese zeit hatte er so eingerichtet, daß er in aller ruhe, mit all dem pausen, die ich brauchte, arbeiten konnte, ohne daß es stressig werden würde. es mußte viel gemacht werden; an zähne dachte ich vorher wenig, ich hatte genug mit überleben zu tun. ich weiß nicht mehr, wieviele monate ich brauchte um vertrauen zu fassen; immer wieder bot er an, die behandlung zu unterbrechen, falls ich nicht mehr könne; das gab mir das gefühl, daß ich doch weglaufen könnte, wenn ich es denn garnicht mehr durchhielte. und so brauchte ich nicht davonlaufen. es normalisierten sich die termine, aber immer blieb die vorsicht und diese fast zärtlich zu nennende einfühlsamkeit dabei. die beiden ladys schafften es mich zum lachen zu bewegen; es herrschte eine angenehme stimmung in dieser praxis, da es seine philosophie war, freude am und beim arbeiten zu haben. so fuhr er einmal im jahr mit seinem team zusammen in einen urlaub, es gab keine hightechapparate aber immer echte gute laune, warten war nie angesagt, es sei denn ein notfall kam herein, die sprechzeiten waren kurz und nie überfüllt. man lernte sich kennen, im laufe der jahre.... dann kam die trennung und wieder war ich nur noch ein haufen. wieder hatte ich angst, eine andere, aber auch die alten ängste waren wieder hervorgekrochen. ich traute mich kaum einen termin auszumachen, auch weil ich nun alleine kommen würde. ach. ich kam dort an und es war wie ganz zu beginn, kein anderer patient mehr dort und sie sagten, es käme auch keiner mehr nach mir. dann redeten wir. dann nahmen sie mich in die arme. ich, steif und knurrig, in dem versuch meine gefühle zu verbergen, konnte garnicht anders als zu weinen. die drei erzählten auch von sich (im nachhinein erst erkannte ich das große vertrauen, das mitgefühl) und schafften es, daß ich mich wohl, aufgehoben und getröstet fühlte. behandelt wurde ich, glaube ich zumindest, auch. und wieder vergingen die jahre, in denen diese drei menschen mich herzlich und liebevoll begleiteten, bis ich aus dem schlimmsten heraus war - was sage ich! - bis heute habe ich freude zu meinem zahnarzt zu gehen. ich werde sie vermissen. ich schwanke zwischen weinen und der freude, daß ich dort gelandet bin. ... comment
heim_weh,
Freitag, 12. Juli 2013, 20:24
Wie schade, dass es das (absehbare) Ende nun gekommen ist. Wie schön, dass es ihn bis dahin gab. Ich hoffe, du hast etwas auf Lebensdauer mitnehmen können, von dort und sein Nachfolger wird nicht ganz abkacken, neben so einem besonderen Menschen.
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pappnase,
Freitag, 12. Juli 2013, 20:48
das alles wird innen bleiben, das geht nie mehr weg.
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ach annemarie,
Freitag, 12. Juli 2013, 22:05
auf jeden fall bleibt eine brücke über die ich laufe, ein krone die ich trage und -
nein ich meine (ernsthaft), daß die jahre mit diesem team mich vertrauen lehrten und mir das vertrauen in die menschen zurückgaben. ich habe mich meiner seelischen wunden bei ihnen niemals schämen müssen. ich bin sehr dankbar. ... link ... comment
ach annemarie,
Montag, 2. September 2013, 12:25
ach, er kann´s nicht lassen.
habe die information erhalten, daß er an 2 nachmittagen die woche noch praktizieren wird. er hat mich dazu aufgefordert, das zu nutzen. und das wo ich ihm schon so ein hübsches abschiedsbild gemalt habe! ... link
ach annemarie,
Dienstag, 3. September 2013, 10:58
das hoffe ich!
klar, er wird es trotzdem bekommen, es ist ja ein dankeschön-geschenk. und danke kann man immermal sagen. ... link ... comment |
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herzlichen dank.
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herzlichen dank. in all dem streß wegen meines... by ach annemarie (2024.06.16, 09:48) danke sid.
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danke sid. ich brauche noch einige zeit.... by ach annemarie (2024.06.16, 09:43) |