annemarie
Freitag, 1. August 2014
mein heutiger wunsch:
könnte ich doch darüber lachen, daß ich immer leiser wurde je tiefer er mit seinen fragen in meinen traumata wühlte und er, extrem schwerhörig, immer aggressiver verlangte ich solle lauter sprechen.
da saß ich, die akustikerin, die nicht mehr arbeiten kann vor einem, der nicht mehr arbeiten sollte (jedenfalls nicht ohne hörgeräte!) und brüllte.
jedenfalls partiell.
mein begleiter saß im wartezimmer, nach 20min kam schon der nächste zu begutachtende mensch und die beiden schoben die tür zu.
nach 38 minuten war er mit mir fertig und ich war mehr als das.
38 minuten um durch mein leben zu hacken zu pflügen zu versuchen eckpunkte aufzubrechen -
immer wieder wurde ich leise und mir war als sein ich aus eis.
ich weiß nicht wie der mann aussah, ich schaute nur auf meine hände im schoß, die sich an meine tasche klammerten, bemühte mich nicht zu einer kugel zusammenzurollen, denn ich wußte, ich durfte hier nicht verstummen, durfte mich nicht schützend verstecken.

zum einen denke ich, daß der gutachter kein böser mensch ist, er ist ein alter mann, schwerhörig und noch als nervenarzt vor vielen jahrzehnten ausgebildet worden. vor sehr vielen.
er hatte wenig ahnung/wissen was trauma und autismus betreffen und er konnte keinen zusammenhang mit den daraus folgenden auswirkungen für mein leben herstellen.
wir kamen oft an seine grenzen; "warum haben sie denn bitte seit 1997 bis jetzt eine therapie? wer zahlt denn das? das zahlt doch keiner!" (das betraf den unfall....)
zum anderen aber stellte er behauptungen auf, die zu klären viel der kostbaren zeit raubte; wie zum beispiel "wie kommen sie darauf, daß sie autistin sind? das steht hier nirgends, nicht im gutachten von dr.xx - "
ich: "haben sie das gutachten nicht -" ich zeige darauf - "hier vorliegen? bitte schauen sie, im 1. absatz, 2er satz..."
er schaut und murmelt "ach da steht ja sowas..."
seine nächste frage war, ob ich denn als kind symptome davon gehabt hätte; als ich begann welche aufzuzählen, lachte er und meinte, das wären keine. (ich fing an mit dem lesen- + und schreiben können mit 3 oder 4 lebensjahren) und schloß gleich mit der frage nach meiner sexualität an.
ich versuchte vorsichtig auszudrücken, welches meine ersten, äusserst unschönen erfahrungen waren und er fragte darauf hin nur, ob ich mich in meiner familie wohlgefühlt hätte.
ich brach in tränen aus.
er fragte nach stimmen in meinem kopf.
ich riß mich zusammen.
nächste frage.
nach der zeit meiner ehe und warum ich derweil so wenig gearbeitet hätte.
meine antwort, daß wir, per künstlicher befruchtung, versucht hatten schwanger zu werden sei der eine und die pflege meiner omi der andere grund.
ob es eine glückliche ehe gewesen sei und ob mein mann bei dem unfall gestorben wäre.
ich riß mich und riß mich und riß mich.
nächste frage, ob der mann auch gestorben wäre.
ich: "nein", setzte aber nach "welcher mann?"
er: "na der geisterfahrer -
ich: "das war eine sie"
er: "ist er auch gestorben?"
ich: "das war eine frau!!"
etc. -
ganz zum schluß kam seine frage: "und, haben sie kinder?"
ich zerriss.

nach einer zerknirschten nacht voll mit denken und grübeln, ist mir klar: er hat wohl vieles (akustisch) nicht verstanden.
er hatte sich überhaupt nicht vorbereitet, nicht ein verdammtes wort vorher gelesen.
aus den geplanten 20 minuten pro begutachtung wurden 38, die mir wie 38 stunden vorkamen.
zur verabschiedung bestand er darauf meine hand zu drücken, ein sehr aussagekräftige handlung der intoleranz.

ich bin so froh darüber, daß ich im gegensatz zu meinem üblichen "da muß ich allein durch!" einen freund als begleiter bei mir hatte. bei einem café, vielen zigaretten und weiteren tränen, half er mir, wieder den boden unter meinen füßen spüren zu können.

ich werde einige zeit benötigen, mich wieder zusammenzufügen und das zu verkraften.
ich bin ziemlich verwirrt, sehr verletzt und vielleicht merkt man das auch diesem text an.
aber ich habe morgen auch einen grund für ein kleines, bescheidenes jubilieren.
morgen wird dieses blog 2000 tage alt.
und ich habe bisher keines meiner blogs so lange am leben gelassen.....

myself in many words

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Am liebsten würde ich jetzt einen Beschwerdebrief schreiben. So eine Begutachtung geht gar nicht. Da kommen bestimmt öfter Betroffene völlig aufgelöst wieder heraus.

Ich hoffe, Sie gewinnen wieder Boden unter den Füßen und Abstand zu dieser scheußlichen Erfahrung mit dem Gutachter.

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wie mir (von erfahrenen menschen) gesagt wurde, ist die erstbegutachtung wohl so "gewollt", d.h. als erstes kommt ein bestimmter gutachter zum zuge und es wird abgelehnt.
(ich hatte nicht viel und schon gar nicht freundliches erwartet, aber solch eine begegnung ....)
es ist normal, jedenfalls für die behörde und den gutachter.
was nun immer dabei als ergebnis herauskommen wird, ich werde mich hinsetzen und einen brief schreiben, allein für die menschen die nach mir begutachtet werden.
was ich auch wirklich für enorm wichtig halte - dabei werde ich mich auf seine schwerhörigkeit konzentrieren und einiges faktisches dazu anmerken.
ich bin ja vom fach, so zu sagen.

danke, ja ich rappel mich.

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ich habe einen bescheid erhalten, den ich mir zwar erst erklären lassen musste; der aber nur über ein bürokratisches procedere berichtet.
damit ist eines schon mal klar:
der herr gutachter hat mich nicht abgelehnt.
das kann ich noch garnicht fassen....

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