annemarie
Mittwoch, 18. Juli 2018
der anker ist gekappt
23:08 uhr, leicht beschickert glitt ich im taxi durch steglitz,
der fahrer drehte jazzradio lauter, kurbelte die fenster herunter und bedankte sich
am ende bei mir.
"was für'n abschluß" dachte ich später im bett, "wie oft beendeten wir einen abend daß du rathaus schöneberg ausstiegst und ich am liebsten mit dir ewig so weitergefahren wäre...."

den morgen über lief ich mit einer küchenrolle je achsel rum, viel aufregung und
eine kleine angst.
am friedhof war ich anderthalb stunden zu früh.
ein mann mit orangener sonnenbrille und ramones-shirt gehörte doch nicht zu uns, aber wir
fanden zusammen.
er erzählte mir vieles und da wir auf einem friedhof standen,
ging es um sterben und überleben.
wir wünschten uns gegenseitig noch viele jahre; ob er ahnte, wie mir das zuhören half
die zeit zu überbrücken?

ich rauchte vor den toren,
weit hinten sah ich dann seine mama, wie gefaltet im rollstuhl, zart und fast durchsichtig.
seine schwester hielt schöne blumen, frau mamas strauß lag im schoß.
beide also auch viel früh.
mementos kamen an, trugen seine urne und nach einem langen zögern mit einem blick
auf frau mama, nahm ich seine asche in die arme.
drehte mich um, dachte meine kniee knicken weg -
der schmerz schnitt mich, sehr tief, sehr stark und ich konnte das erste mal um ihn weinen.
es war intim, ich hatte keine gedanken, fühlte nur und schwindelschnell zog unsere
gemeinsamkeit an mir vorbei.

die vorherigen trauerfeiern wurden ausgeläutet.
schwarzgekleidete gruppen strömten hinaus und wir vervollzähligten uns hinein.
dadurch daß unsere die letzte abschiednahme an diesem tag war, bekamen wir stille und zeit.
zeit, damit jeder in den kleinen raum gehen konnte, um den ersten kontakt mit seiner asche zu knüpfen.
sie lag, und sie liegt bis alles in der erde vergeht, in einem konstrukt aus bemaltem filz.
von unten umrundet das meer einen himmel und berührt dabei die sonne.
maritim sah das aus, als läge er mitten im wasser.
geruch von vielen lichten, rosenblütenblättern. kühle und ein angenehmes dämmern.

die technik wurde getestet, noch eine rauchen, warten auf nachzügler.
aber wie schnell dann seine letzte reise doch begann:
aus dem raum heraus in die sonne trug cassandra die urne bis zu uns
übergab in meine arme
ich lief einfach los
übergab ihn an seine schwester
sie trug ihn bis zum grab
und wir hielten an
standen still mit einer fuge von bach,
sein vater spielte die orgel
seine mama schaute und versuchte zu begreifen
wir alle zogen unsere blicke in den fünf minuten bach von dem schwarzen tiefen loch
auf die blumen und wieder hin und wieder weg
plötzlich, so kam es mir vor, wurde die urne hineingesenkt
eine kurze rede an ihn
wieder spielte sein vater für uns
spielte für ihn
danach dann fiel erde, ein kristall, eine kastanie, schwebten blütenblätter -
seine mama beugte sich
schüttete sorgfältig alle blüten aus der schale
bedeckte die schwärze
und wir drehten uns um und gingen den weg allein zurück.

in berlin

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Wie berührend.
Ich drück Sie.

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Letzte Aktualisierung: 2024.07.27, 13:34
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Letzte Änderungen

by sid (2024.07.27, 13:34)
trauer
das finale bild und gefühl zu meinem vater ist...
by ach annemarie (2024.07.24, 19:03)
herzlichen dank. in all...
herzlichen dank. in all dem streß wegen meines...
by ach annemarie (2024.06.16, 09:48)
danke sid. ich brauche...
danke sid. ich brauche noch einige zeit....
by ach annemarie (2024.06.16, 09:43)
vielen dank.
vielen dank.
by ach annemarie (2024.06.16, 09:42)

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