annemarie
Freitag, 17. Mai 2019
es begann am frühen dienstagabend.
der weg zu den "marktschwärmern" ging durch den alten kiez in schöneberg.
da lebte ich seit den 80er jahren, war aber weit vorher in dortigen lokalitäten
unterwegs gewesen.
ich kam nicht vorwärts und erkannte wenig wieder.
die touristen liefen mehrreihig auf dem schmalen bügersteig, blieben oft
unvermittelt stehen. sie hatten die qual sich aus dem unendlich wirkenden
angebot von bars, imbissen, schokiläden, falaffelbuden, asiatischen restaurants, indischen restaurants, italenischen restaurants, ...., schmuckläden und
modegeschäften, etwas herauszusuchen.
alles was ich kannte gab es nicht mehr, sogar der müde dharma-buchladen war geschlossen.
einen bekannten blumenladen fand ich, ging hinein und ging wieder hinaus.
eine einzelne christrose ab fünf euro.
als normale haushaltseinkäuferin war ich sehr fehl am platz.

an der ehemaligen lieblingskreuzung akazien-/grunewaldt-/goltzstraße
musste ich tief durchatmen.
mein altes haus leuchtete rot, im hausflur hingen kronleuchter.
ich war dort lange hausmeisterin gewesen.
am klingelbrett standen noch 2 mir bekannte mieter. immerhin.
ausser dem copyshop ecke grunewaldtstraße gab es nur noch den teeladen in der
goltzstraße. ach, und die fachhochschule für erzieher, die war auch weiter in betrieb.
sonst nichts mehr, alles war mir fremd.
vor dem roten haus stand ich und rauchte eine, drehte mich mal zum copyshop und
dachte an o., dann erinnerte ich mich an a., mit dem ich viele jahre hier lebte.
ein halber dreher und ich schaute auf die fenster von bruderherzens wohnung,
genau gegenüber.
mit ihm hätte ich wunderbar tratschen können, über die großen veränderungen hier.

die akzien-, grunewaldt- und goltzstraße sind eine freßmeile geworden.
und trinkhalle ohne dach.
und ankleidekabine ohne diskretion.
die anwohner (ich sah etliche aus den großen toreinfahrten herauskommen,
da ich nur langsam voran kam) sprachen definitiv kein berlinerisch und fuhren mit
ihren rädern, meist mit überdachtem kinderliegeanhänger daran, seelenruhig auf dem
bevölkerten bürgersteig.
und das, obwohl die straßen alle asphaltiert sind, auch angenehm autoleer.
sie klingeln gerne, damit man platz macht. irgendwann ging ich dann auf der fahrbahn
und war sehr müde, als ich in der barbarossastraße ankam.
im kopf ging ich den stadtplan durch, suchte mir für den nächsten verkauf eine
ganz andere anfahrt aus.

mir ist klar, daß sich alles stetig verändert und mir ist auch bewußt, daß ich als autistin
veränderungen nicht gut vertrage.
doch diese konzentration von teurem konsum auf insgesamt ca. 2km länge macht mich traurig.
das erinnert mich an die oranienstraße in kreuzberg, dort aber halten doch noch
einige alteingessene tapfer durch.
ja sicher war ich auch traurig wegen der verknüpfungen mit geliebten menschen. dort.
die nicht mehr bei mir sind.
abends lag ich lange wach und dachte an meine omi.
wie sie sich, in ihren 90er lebensjahren, aus allem langsam zurück zog.
ich habe das gefühl, mir geht es jetzt auch so.

in berlin

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Nicht dass ich Gemeinsamkeiten erstelle die so nicht gibt um einen falschen Eindruck bei ihnen zu erwecken. Ich habe das auch mit dem wegen die immer kürzer werden. Die Stadt verändert sich wie im Rausch und ich trinke nur Wasser oder Saft.

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ich trinke nur noch wasser.
die beschreibung mit der veränderung wie im rausch - die ist sehr passend.

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Die Straße heißt natürlich Grunewaldstraße, ohne das t :-)

Auch in mir ging's seltsam zu, als ich 35 Jahre danach mein altes Kreuzberg besuchte, in dem ich meine ersten 22 Jahre verbrachte: Fidicinstr., Chamissoplatz, Friesenstr., Bergmannstr., der Kreuzberg, der Mehringdamm... Ich wollte meiner Gattin (Ausländerin) meine "alte Heimat", meine Kind- und Jugend-Erlebniswelt zeigen.
Alles war nun ganz anders und die Erinnerung an früher - und der Gegensatz zu all dem jetzigen Schicki-micki - war sehr deutlich und brachte mich dazu, solch' ernüchternden und auch deprimierenden Besuch nie wieder zu machen.

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danke sid. ich brauche noch einige zeit....
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vielen dank.
by ach annemarie (2024.06.16, 09:42)

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