annemarie
Freitag, 25. April 2014
*
in gedanken und im gedenken an einen meiner liebsten menschen habe ich ich eben ein gedicht genossen
im sonnenschein mir einverleibt

in gelb in cremeweiß in grün und in braun

der geruch dieser komposition bleibt immer noch an der balkontür hängen

nach 10 jahren vermisse ich sie so sehr,
meine omi.

(neue kartoffeln, spargel, frühlingszwiebeln in brauner gesalzener butter. bei omi gab es aber immer zunge dazu, eine ganze rinderzunge stand dann auf dem tisch. die spitze schon in scheiben geschnitten.)

momente

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Donnerstag, 24. April 2014
auf der straße IX / perpetuum mobile
durch die menschen die ich im meadow kennenlerne gelange ich in die verschiedensten bezirke, wohnungen und lokalitäten.
innerhalb kurzer zeit verbringe ich die eine nacht im wedding bei otto-mühl-anhängern (da habe ich mich rasant fortgemacht), einige andere in einer baghwankommune, aus der ich mit rosa angefärbter wäsche wieder rauspaziere, eine nacht sitze ich in der schlange und höre das erste mal ian dury und verlasse sofort die wohnung, so sehr regen mich die langen haare des inhabers auf. er kommt frisch aus london und hat den koffer voller platten, aber nach dem dury muß ich gehen.
irgendetwas in mir ändert sich, ich bin angespannt und aufgeregt. vorfreudig.
ich drohe zu platzen.
ich suche.
die stadt ist grau und bleibt so gleichgültig wie stets, aber hinter ihren wänden wird es bunt, schräg und schnell.
ich ziehe für eine kurze zeit nach moabit.
ein halbes jahr lerne ich im letteverein werbegraphik; was im nachhinein betrachtet die fortsetzung meiner künstlerischen ausbildung auf scharfenberg war. dort lernte ich einige jahre alles grundsätzliche an techniken, von lithographie, holzschnitt, radierung, kaltnadelradierung, farbenlehre, öl-kreidenmalerei etc., auf dem letteverein gab es das, was mir noch fehlte.
ich implodiere vor kreativität, bin im farbenrausch und das zeigt sich auch in meinem äusseren. nichts geht mehr ohne musik, ich hab den punk im ohr, im herz, im bauch.
zu beginn sind wir alle ziemlich offen und tolerant; eine meine erinnerungen legt den beginn meiner freundschaft mit jenny in den moment, als sie mir unabsichtlich beim rock´n roll tanzen die nase bricht. wir tanzen im shizzo und ich springe zwischen diesem und der hall die nächte hin und her.
einen abend nimmt the angel mich mit ins andere ufer (daß er das war, ist mir eben erst beim schreiben wieder eingefallen), dort fühle ich mich besonders wohl und nach einer portion spaghetti im petit europe trinke ich dort regelmässig einen café oder, wenn´s geld reicht, einen gintonic.
inzwischen gibt das mitropa und ich lerne dort alfred und dagmar kennen. die goltzstraße wird später meine heimat, aber vorerst eile ich nur vom alten dschungel zum mitropa, da mir diese straße wie ein ruiniertes gebiß vorkommt und ich habe angst, daß alles im nächsten moment zerfallen könnte. es gibt da eine drogerie, die verkauft selbstgemachte leicht psychodelische puppen, ich spare lange auf eine, aber sonst gab es dort nur grau.
ich verliere meine wohnung, ziehe für eine kurze zeit zu betti und mark in die lausitzer straße, ziehe wieder weg und trampe allein durch westeuropa die punx in allen ländern besuchen, heirate pro forma und mache meine erste flugreise.
da wir in einem schaumteppich landen, bleibt es meine letzte. wieder in deutschland wohne ich eigentlich bei dagmar in der großgörschenstraße.
eigentlich.
sie ist nicht aufzutreiben und ziehe mit meinen rucksack etwas verzweifelt über die hauptstraße.
im anderen ufer, es ist spät in der nacht, spreche ich mir sympathische jungs an, ob sie mir? obdach geben würden?
sie geben und wohnen gleich um die ecke. so lerne ich wolfgang und nikolaus und dann in ihrer küche die musik der tödlichen doris kennen. ich glaube mich zu erinnern, dass ich der mädchenkammer über der küchentüre nächtige....sicher bin ich nicht mehr.
ich trage immer eine kette aus bunten plastikperlen und genau so reihen sich die orts-und wohnungswechsel aneinander.
die kette ist zerissen und ich kann nur noch einzelne wiederfinden.
dass erwin mich eines tages in rasender eifersucht messerschwingend aus dem mitropa jagt, ist so eine;
dass ich auf einer party in der hauptsraße 155hh lande und schnell wieder abhaue, weil mir die herren i.pop und d.bowie zu bekokst und vulgär sind (der ganze rest an personen auch);
dass ich, dank jenny, die jungs von blurt kennenlerne und, soweit sie in berlin sind, mit ihnen herrlich abhänge;
dass ich im dschungel nur tanze, wenn paul sein rotordrehertanzen startet, weil die tanzfläche dadurch sofort frei wird;
dass ich in einer wohnung lebe, die keine toilette, heizung oder fliessend wasser hat;
dass nach exzessiven konzertbesuchen, mir alle einlasskontrolleure bekannt sind und ich ihnen;
dass menschen in der öffentlichkeit vor mir ausspucken, mir die vergasung empfehlen, die herthafrösche uns zu klump hauen;
dass ich das stundenlang beim tanzen vergessen kann und
dass das leben voll und intensiv und schön ist;
das und das und das -
ich glaube die kette war mehrreihig.

in berlin

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Samstag, 12. April 2014
mein
wie an vielen tagen
wieder kreischend
auf asphalt geriebene haut
kälte für das knochenmark
das ticken
bis mein hirn zerstaubt
angst vor dem zuckerguß
allein marschieren
immer
in die gleiche richtung
mit vielen unbekannten
ein starkes leuchten
macht mir mut
im dunklen
dann in sonnenhelligkeit
zum sterben legen
aber doch das leben küssen
über mir
drehen sich die engel
nach dem weckerklingeln
nochmal rum
zu müde
und schon leicht sauer
ich mache ihnen viel arbeit
sie lassen mich sein
damit ich entscheide
denn
keine gnade ist unendlich
fleischfarbene eventualitäten
treiben nicht voran
nicht zurück
langweilen uns
mich und meine narben
suche nach kunstlicht
dort schmeicheln alle kontakte
und die noten
garnieren und verzieren
gesalzene lider

das ist mein
das bin ich
egal wo der lippenstift sitzt
la clowneska mein rufname nummero xxx
alle haben
schon lange vor mir
gegen das grau gekämpft

ich zittere so sehr in der sonne
kann nicht flüchten
wer kann das besser verstehen
als die
die mit mir am wolkenfreien tag
die fahrt unwiderruflich begann
ich fahre jetzt
achtzehn lange jahre
jedes jahr blutroter
macht achtzehn lippenstifte
am ende.

mandelkern

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Sonntag, 6. April 2014
auf der straße VIII / look!! an angel.
meine erinnerung an ihn ist dicht, kompakt und prägnant.
auch wenn mein mein blick auf das leben noch kindlich war, auch wenn ich ihn vielleicht zu sehr verkläre, ich möchte im nachhinein nichts daran ändern.
ein blick auf jemanden ist immer subjektiv, doch ich genieße ihn noch heute, wie eine saftige frucht im hochsommer.

hatte ich schulfrei oder ferien wurde ich von den menschen mitgeschwemmt, die mir obdach gaben.
war es meine freundin a., wohnte ich in kladow und wir gingen ins ballhaus spandau; die nächte vertanzen.
war es die n., wohnte ich auch im norden, in der pichelsdorfer straße, aber wir fuhren meist nach charlottenburg zum ausgehen.
einige male landete ich in zehlendorf, dort blieb einem aber nichts übrig als entweder durchzumachen oder daheim zu bleiben, der bezirk war nur gut für autofahrer.
wohnte ich bei n. konnte ich auch alleine losziehen und irgendwann müde an die tür klopfen. das war mir am allerliebsten von allen möglichkeiten. ihre mutter war eine sehr bewegte 68erin und das haus stand allen offen. nur achtete ich sehr darauf, die gastfreundschaft nicht zu sehr zu strapazieren und wechselte regelmässig meine schlafstätten.
stapfte ich allein und herrlich ungebunden durch die nächte zog es mich meist nach charlottenburg. ins ku-dorf warf ich nur ein einziges mal einen blick, im sound fand ich die musik scheußlich.
1974/75 traf mich wenig ins herz, musikalisch.
so wurde der ku-damm mein ausgangspunkt (wie in "roundabout zillemarkt“ beschrieben), nach der episode mit bob war dann aber die gegend um den savignyplatz nicht mehr reizvoll für mich,
ich fing an mich den ku-damm "hoch" zu bewegen. inzwischen ist es 1975/76, ich gehe ins tolstefanz und den athenergrill - bitte in einem wort gesprochen - erblicke ende 1976 die ersten 2 punker, die allerdings am kurt-schuhmacher-platz.
egal, irgendwann landete ich dann im meadow.
kurz bevor der punk mich ergriff und hatte ich den rock´n roll entdeckt und mein ausgehkleid samt zugehörigen schuhen, ist original aus den 50ern und ich falle durchaus auf damit. meine pumps haben bleistiftabsätze aus eisen und damit laufe ich laut klackend durch die gegend. mir eilt ein ruf voraus, ich weiß bis heute nicht genau welcher. schön daran war, daß ich mich dazugesellen konnte, wo auch immer ich das wollte.
und nun sitze ich am großen tisch und staune einen jungen an.
er sitzt links neben mir, da fällt mein blick nicht so auf.
mein erstaunen ist ganz ohne alles - ohne begehr ohne logik ohne bewußtsein.
ich sitze neben einer schönheit, die ich nicht trennen kann, zwischen innen und aussen.


er ist ein mensch der die helligkeit seiner haut, die glätte und ebenmässigkeit braucht um sein herz zu schützen; seine dunklen, fast schwarzen haare, augenbrauen saugen viel licht, wirken unecht, so stark ist der kontrast.
eine symmetrie im antlitz, die mir perfekt vorkommt; vor jahren sah ich ein foto von ihm, er war älter darauf, aber auch dort ist das zu erkennen.
der körper - ein mann ohne muskuläre männlichkeit, aber auch mit wenig knabenhaftem.
sein lachen.
absolut ehrlich bis in die zehenspitzen, was heute eines meiner größten komplimente ist, da ich als autistin in jedem zähnefletschen ein lächeln sah.
ihn anzublicken hieß, daß ich in vatermutterbesterfreundundbeste freundin-augen sah.
er war immer gut zu mir und er meinte es immer gut mit mir.

ich sitze also mit am runden tisch, immer links neben ihm, mit halbberühmtheiten und manches mal mit berühmtheiten. die waren mir ziemlich schnuppe und genau das verband uns.
er ist enorm begehrt von mann und frau und dadurch entfernt vom normalen durcheinander der menschen und ich... naja, ich komme sowieso vom anderen stern.
ich genieße seine nähe, seine stimme und was er zu sagen hat. mehr will ich nicht.
ich glaube, daß er das an mir mochte.
um uns herum werden geschäfte und geschäftchen abgewickelt, das meadow ist ja auch ein drogenkaufladen. ich trinke zwar inzwischen alkohol, aber andere drogen verweigere ich. dadurch bin ich wohlgelitten, niemand hat sorge, daß ich etwas abhaben wolle oder mich in die dealerei einmischen werde.
wir zwei amüsieren uns; was ich noch an fetzen von erinnerung hervorholen kann ist voll mit innigkeit und voller lachen.
ich weiß nicht wo er wohnt und wie oder mit wem, von was er lebt, ob er gerne lebt und wohin er so denkt, ich gehe immer mit anderen vom runden tisch fort und lerne viele wohnungen kennen, lebensweisen, neue musik und lande auch in der berüchtigten hauptstraße bei mr.d.b.; aber das ist eine ganz andere geschichte....
man könnte es eine flüchtig hingehauchte oberflächliche bekanntschaft nennen, aber das war es nicht.
in all dem gewimmel und dem selbstpräsentieren war das ein kurze begegnung zweier leute die sich für diesen moment befreunden; wie ein innehalten zum schnappen nach luft, ruhe zum ausstrecken und aus der rolle dehnen.

er lebt nicht lang, er stirbt als einer der ersten an den folgen seiner HIV-infektion.
ein kurzer aufenthalt unter uns und ich weiß nicht, ob er gemerkt hat, wie schön wir zwei miteinander waren.
ich weiß es.

in berlin

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viele schritte, aber the cat was dancing on mein pillow
der gestrige tag umfaßte mit hartem griff jahre, wenn nicht sogar jahrzehnte.
da hatte ich meinen akustikermeister aus lehrzeiten besucht, trank einen café mit ihm, meine hand spielte mit gefräßten paßstücken für im-ohr-höhrern und wir fachsimpelten sehr hübsch, saß ich etwas später vor einer eisentür und wartete auf daß das echo fertig gestellt wurde.... vertraut, sehr vertraut und bruderherz schwirrte durch meine gedanken.
die kardiologie im urban ist freundlich und ruhig im gegensatz zur der in der charité.
für mich aber, war jeder schritt auf dem weg nach hause schwer hängend von etlichen gedanken; da meine u-bahnstrecke gesperrt ist, hatte ich viel zu laufen und am ende aber nur noch ein wort pro schritt.
aber ich greife vor.
das urban.
ich bin in ihm geboren und meine lieblingstante war dort die jüngste oberschwester, die es zu der zeit je gab.
sie rettete mein leben, da sie erkannte, daß ich am verhungern war (mit 6 monaten) und man brachte mich vom urban in die baracken des säuglingskrankenhauses in der königin-elisabeth-straßße in charlottenburg. das alles geschah im "alten" urban, der neubau kam ja erst mitte der 60er jahre.
im neuen bau hätten die docs mich dann fast umgebracht, an ostern 1980.
über das wie und warum werde ich nichts weiter schreiben.
es würde mir doch zu weh tun.
es eine erpresserische medizinische mißhandlung mit nachwirkungen bis ins heute.
auch wenn gestern meine gebärmutter nicht aufmuckte; (ha! sie konnte es nicht mehr, da sie mir amputiert wurde); fühlte ich mich ein wenig traurig und meine erinnerungen schwankten wie besoffen von dem einem zu jedem anderen versuch, das wieder zu reparieren.
viele jahre mit vielen operationen und ich konnte nur schweigen, keine erklärung meinerseits woher die verletzungen meiner organe kamen.
natürlich kann ich plappern, und wie ich das kann, aber bis 2007 verschwieg ich die wirklich wichtigen dinge.
es war gut für meine gesundheit, daß ich gestern dort war.
der zeitliche abstand und die sorge um m., das baulich veränderte grundstück und haus, all das war wie ein handlauf an dem ich mich entlang hangelte.
ich versuchte mir m. gegenüber nichts anmerken zu lassen, doch dann erzählte ich ihr doch, was mich mit dem haus verbindet. erleichternd war das, sonst hätte ich tatsächlich viel dummes zeugs geredet.
auf dem weg nachhause kamen mir die geschlossenen u-bahnstationen sehr recht, im laufen sortierte und justierte ich mein inneres und endlich angekommen tanzte herr katz einen freudentanz on my pillow.
verbotenerweise, aber es war ja ein besonderer tag, denn ich empfinde diese alte geschichte als erledigt.
endlich.

mandelkern

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Donnerstag, 13. März 2014
auf der straße VII / roundabout zillemarkt
zuerst immer einen tee bestellen, einen mit milch bitte,
es gab schmalzstullen, soleier und unregelmäßig auch bouletten,
hatte ich lust auf etwas warmes, ging es knappe 50m weiter die bleibtreustrasse hoch und es gab eine pizza auf die hand.
manches mal schon freitagabend, normalerweise aber jeden samstag und sonntag, war der zillemarkt mein anlaufpunkt,bis ich montags früh wieder richtung tegelort fuhr
man könnte sagen, daß ich mit knappen 16 jahren zu jung war, um durch die nächte zu streunen, aber ich war frei - frei jeglicher regeln und frei aller fürsorge.
heute, im blick darauf nach 30 jahren, weiß ich, das war eine phase, in der ich mich sicher wie nie wieder, alleine durch westberlin bewegen konnte.
zu beginn war da ein trödelstand am ku-damm; ein ganz bestimmter der vielen die dort in reihen standen und den touristen hübsch verformtes silberbesteck, lederschnüre und plo-tücher anboten.
der inhaber war ein mann, den man heute als auf koks/speed oder als reichlich durchgeknallt bezeichnen würde; ich vermute, er war naturstoned. leider weiß ich seinen namen nicht mehr.
er war sehr schmal und hatte dünne, dunkle locken, immer einen bartschatten, einen vw-bus und ein aberwitziges verkaufstalent.
jeder schlenderer wurde von ihm angesprochen, in ein gespräch verwickelt, zum kaufen überredet und so brachte er seine ziemlich reichhaltige familie durch. mich sprach er auch an und ich wurde nach kurzer zeit von ihm "adoptiert". er war ein mensch zu dem man urvertrauen haben konnte, auch solch ein mißtrauisches wesen wie ich.
er gestikulierte wie italiener, sprach rasant, aber verständlich und hatte gewiß sooft über den tellerand geschaut, daß er seinen eigenen nicht mehr erkennen würde.
ich erinnere mich an meine traurigkeit, wenn er mal nicht aufgebaut hatte, dann lief ich den ku-damm hoch und runter, weil ich es nicht glauben wollte.
eines tages nahm er mich mit in den zillemarkt, stellte mich den stammgästen vor und ich treulose tomate blieb dort kleben.
da ich meine tee mit milch nahm, wurde ich der britischen fraktion zugeordnet, was im grunde aber egal war, da sich alle mit fast allen verstanden. ich lernte die übrig gebliebenen perser (bleistreustraße!) kennen, einige, für mich uralt wirkende künstler, viele taxifahrer, eine gruppe von welt-umseglern und den britischen haufen.
ich weiß auch nicht mehr genau wie ich es schaffte, mich so zu amüsieren und meist 2 nächte durchzumachen, nur mit tee!
ich trank keinen alkohol, nahm keinerlei drogen, einzig der schwarze krauser war mein begleiter. es durfte auch ab und zu eine schachtel juno oder rothändle mit, aber das konnte ich mir meist nicht leisten.
die zillemarktgäste waren sehr viel älter als ich und doch fühlten wir uns miteinander wohl.
ich verliebte mich in robert m. und er sich in mich, meine erste liebesbeziehung begann.
wir bewegten uns rund um den savignyplatz, in der grohlmannstraße wohnten die segler, bei denen gab es ein bier (für mich - einen tee); zogen in den zillemarkt und von dort aus weiter über die kantstraße zum nächsten besuch.
es kommt mir so vor, als wären wir unentwegt gelaufen, von einer wohnung in eine bar, dann zu jemanden anderen zu besuch, woanders kurz mal was essen, weiter, weiter und zum schlafen in die leibnitzstraße.
dort wohnte bob, auf einer etage mit einem ägypter, der die exotischste wohnungseinrichtung hatte, die je sah. er lebte zusammen mit einer sanften, runden frau, die als stripteasetänzerin arbeitete und mir geduldig meine fragen dazu beantwortete. auch sie kam mir enorm exotisch vor, ich fragte mich insgeheim wie sie das "überstand" und bedauerte sie. ja, ich war noch sehr, sehr unschuldig und trug die arroganz der jugend vor mir her.
nach dem üblichen knäckebrot/krabben + earl grey tea frühstück zogen bob und ich wieder los.
durch die grauen strassen hin zu einem ort an dem wir musik hören konnten und erfahren, was dies wochenende so los war.
grau war besonders die damals sehr ruhige kantstraße, man bedenke, es war am anfang der 70er jahre und berlin war noch nicht durchsaniert. ins grüne ging man nur zu besonderen anlässen, wenn man kinder hatte, zum flohmarkt am klausener platz und seltener zum boulespiel am schloß charlottenburg.
bob besaß nicht mal einen kassettenrekorder, geschweige eine anlage, so mussten wir in die bars, kneipen oder zu einem freund, der platten und spieler sein eigen nannte.
ein grund zum trinken und einen zum diskutieren fand man immer, die themen wanderten einfach mit uns mit. je später der tag, desto verqualmter und hitziger wurde die stimmung, aber es war immer sehr interessant und hat mir viele neue ansichten/einsichten gezeigt.
ich staunte über die weltgewandtheit des freundeskreis, sie waren alle tolerant und offen auf eine art, die mir so danach nicht mehr begegnete. ein jeder hatte schon mal auf der nase gelegen, jeder hatte neu anfangen müssen und alle mühten sich finanziell zu überleben. bob arbeitete, wie fast alle briten, auf dem bau. das ist erwähnenswert, da er klein und zart war und mir ein rätsel, wie sein körper da mithielt. er erzählte mir von den sprüchen und gesprächen der deutschen kollegen, die nicht wussten, daß er gut deutsch verstand.
es war durchweg faschistisches gedankengut und das wurde heftigst in unserem kreis besprochen.
ich habe eine menge gelernt....


die meisten aus dem zillemarkt müßten heute weit in den 80ern sein; vermutlich sind nicht mehr viele unter uns.
ich hoffe, sie hatten ein gutes leben.
bob traf ich vor ca. 15 jahren in der u-bahn.
ich sah einen alten obdachlosen mann, sah hin und weg, ihn dann doch nochmal genauer an.
er war es.
ich suchte augenkontakt, aber er vermied das und ich bemerkte aus den augenwinkeln, daß er mich ausgiebig musterte. dann sprang er auf und verließ den waggon.

in berlin

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Sonntag, 2. März 2014
eine schönheit -
- ist der diffuse sonnenschein auf dem moos an der hauswand gegenüber
- war die leere im gewürzschrank, nach dem das ablaufdatum um 5 jahre überschritten war
- flirrt im kreidestaub allerorten
und schwimmt in der nichtendenwollenden fülle der tasse café.
es ist ruhig und schön.
- dieser sonntagmorgen.

momente

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Samstag, 1. März 2014
kreuzung
der bus steht still und das ist ungewöhnlich
normalerweise brauche ich 3 minuten zum rathaus steglitz
die große kreuzung am hermann-ehlers-platz ist gesperrt
dort steht der rettungshubschrauber
was mein busfahrer dann durchführt (und das ausgerechnet mit mir an bord):
in dem moment des abhebens des christopher gleitet er mit seinem doppeldecker auf der abbiegespur in die kreuzung
quasi als geisterfahrer ohne gegenverkehr und mit polizeischutz
dokumentiert von hunderten kleiner blitze aussendender gestalten -
die kreuzung war ein kreuz, ein schwarzes,
verdunkelt von menschen die alle, so mein empfinden, ein mobiltelephon hochhielten
wir fuhren mit gedankenbetäubenden lärm direkt in das herz der kreuzung, wo sekunden vorher vielleicht ein herz zum stillstand kam
der bus hielt ich stieg aus und konnte mich dennoch nicht bewegen
es war seltsam still, speichern und/oder versenden, nicht wahr, das muß nach der aufnahme ja getan werden
ich schaute dem helikopter nach, als einzige den blick nach oben gerichtet und dachte an den moment
einer lauen sommernacht
zerschunden blind von blut und splittern in den augen erstarrt von unfaßbarem schmerz
wie ich lag den asphalt schmeckte und doch spürte
wie sie alle schauten
stumm standen auf unserer seite und langsam vorbeifuhren auf der anderen
und schauten
man ist ein tier und es gilt nur zu überleben
man sieht eigentlich nichts mehr und besteht aus wunden
aber dies anschauen, das bekommt man mit.

mandelkern

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Freitag, 14. Februar 2014
und -
wieso kam ich auf die straße?
abgesehen, daß ich als kleine schon weglief, flüchtete, am liebsten draussen unterwegs war;
mit knapp 14 jahren kam ich nach scharfenberg, dem internat für kinder, die nicht mehr zu hause leben konnten.
(ich erfuhr ja erst vor einiger zeit, daß das internat die letzte schule war, die mich noch nehmen wollte, konnte, durfte)
samstags ging es nach hause, am montag morgen zurück auf die insel.
das sollte den familienfrieden wahren....
ich aber saß etliche samstage im treppenhaus und wartete vergeblich auf meine eltern, einen wohnungsschlüssel besaß ich nicht.
sie hatten mich wohl vergessen und waren unterwegs.
daher fuhr ich irgendwann nicht mehr zu ihnen.
(sie meinen bis heute, sie hatten gewartet, ich aber wäre einfach nicht mehr gekommen)
die wochenenden verbrachte ich bei mitschülern oder, jedenfalls im sommer, heimlich im internat.
da mir niemand grenzen setzte, es keinen in der schule weiter kümmerte, erschien ich immer weniger dort und fing an auf der straße zu leben.
am meinem 18. geburtstag fuhr ich ein letztes mal nach tegelort, um mein zeugnis abzuholen.
mein vater war auch anwesend und holte meine habseligkeiten.
er führte ein gespräch mit mir, und sagte, daß sie mir einen platz auf dem letteverein besorgt hätten und eine kleine wohnung in moabit.
als letzte chance, als das letzte was sie für mich täten.
ich war baff und nahm das angebot an.
eifrig und freudig begann ich die ausbildung zur graphikerin.
als punk war ich seit geraumer zeit in ost-berlin unterwegs und wußte wohin, um mich mit den materialien einzudecken, die ich dazu brauchte.
die direktorin des lettevereins gab unserer klasse unterricht (schriftkunde) und hasste mich.
ich war der erste punk ever dort und ich erinnere mich, wie ich einmal ihren unterricht verlassen mußte, weil sie den anblick von mir nicht ertrug. sie verband das immer mit ungepflegheit und meinte ich wäre zu dreckig. ausgelöst hatten das meine fingernägel, die ich, wenn ein lack abblätterte, sorgfältig mit einem einer anderen farbe ausbesserte.
das sah sehr hübsch aus, aber die dame schäumte vor wut.
die modeleute und die fotographen fanden mich (besser mein aussehen und meine verschminkung) gut und ich hatte keinerlei anschlußprobleme.
ich scheiterte, grandios zwar, mit dem lob einiger lehrer; denen aber nichts übrig blieb, als mich schlecht zu bewerten.
ich war gut und phantasievoll, doch immer am thema vorbei.
immer.
und in dem zweig, der physik und mathematik betraf, nunja, ich konnte damals nicht das 1x1 und weiteres rechnen. das kam erst viel später....
das erste halbjahr ging dem ende entgegen und ich wußte, ich werde so schlecht abschneiden, daß ich nicht weiter lernen dürfte.
meine eltern stoppten sofort jegliche zahlungen und mir blieb nichts als der weg zum sozialamt.
dort wurde ich abgewiesen, ma und pa hatten es geschafft, denen klarzumachen, daß ich "böswilligerweise" die ausbildung abgebrochen hätte.
so ging ich wieder auf die straße und hangelte mich durch die nächsten jahre....

in berlin

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Sonntag, 9. Februar 2014
auf der strasse VI / bikerkommune am oranienplatz
nach einem zwischenhalt in der luckauer str. 3, aus der mich die müllberge im hof und die darin lebenden ratten vertrieben, wußte ich nicht mehr wohin.
die luckauer war verknüpft mit j., einem der mehr wollte, als ich geben konnte und ich passte nicht ins besetzerleben.
j. kam aus der schweiz, ging mit einer der besetzerinnen zurück, in eine kommune und machte eine großfamilie auf.
(ich bin froh, daß dieser kelch elegant an mir vorüberglitt....)
eines abends landete ich in der stammkneipe der kreuzberger biker (nicht der rocker) und le chef wollte mit mir trinken.
ich hatte die eigenschaft saufen zu können, ohne betrunken zu werden und stand sehr aufrecht am flipper (himmel, wie ich das flippern vermisse!), als er mich zu einem spielerischen boxkampf aufforderte.
selber schuld, ich setzte einen schlag und traf sein zwerchfell.
der mann kippte um und es gab diese sekunden, in denen er sich entscheiden mußte, ob er sein gesicht wahren konnte.
es war ziemlich still in diesem moment.
ich meine mich zu erinnern, daß ich lachte, da ich mich über den glückstreffer freute.
er entschied aufzustehen und auch zu lachen.
ab dem augenblick war ich eine art maskottchen und unter seinen fittichen.
diese gruppe fuhr schwere maschinen und hatte eine werkstatt am oranienplatz, gleich um die ecke ihre - hm, ich vermute kommune.
dort konnte ich nun schlafen, in einem der etagenbetten war immer platz.
sie kamen mir alt vor, wahrscheinlich waren sie alle so mitte der dreissiger, sie wirkten sehr erwachsen.
alle arbeiteten, ein sehr ungewöhnlicher lebensstil im so36 der auslaufenden 70er.
schliesse ich meine augen, sehe ich ihre gesichter, höre sogar die eine oder andere stimme, weiß aber nicht mehr ihre namen.
sie versuchten mich von der straße weg zu halten und rauszufinden, was mit mir ist.
hätte ich es es gewußt, ihnen hätte ich es erzählt.
die frauen der gemeinschaft guckten am anfang auch wieder skeptisch bis giftig; einer der kerle baggerte, wurde aber in seine schranken verwiesen.
ich fühlte mich endlich mal sicher, bis zu dem tag, als einer aus dem turm zu besuch kam.
mein häufigster neben-mir-schläfer oder besser über-mich-drüber-roller-ohne-weitere-worte.
er wurde sehr hofiert, da er nach einer demo zu einigen jahren gefängnis verurteilt worden war und als politischer gefangener galt.
er hatte einen starnimbus und erzählte schwänke aus der knastzeit, während ich am rande saß und ihm am liebsten ins gesicht gekotzt hätte.
einen erstaunten seitenblick hatte er für mich, als er dort eintraf, sonst wie gewohnt kein wort.
da es danach aussah ein langer heldenabend zu werden, verkrümelte ich mich und kam nie wieder.
vor solchen wie ihm hatte ich einfach nur angst. und ich war zu frustriert ihn dort wiederzutreffen, um die situation richtig einzuschätzen.

ende der 90er bin ich noch einmal auf die suche gegangen, habe den oranienplatz abgeklappert, aber keine spur mehr von den bikern gefunden.

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Freitag, 7. Februar 2014
auf der straße VI / 1979 im turm
ich trug ein kleid aus kindertagen es spannte um die brust und war übersät mit milimetergroßen blüten
ich lag im schnee und sie gingen an mir vorbei, als würde es mich nicht geben
sie aßen käsebrot mit in scheiben geschnittenen knoblauch und schliefen alle in einem raum
ich aß mit und ich sang einen winter lang im keller
sie drehten ihre verstärker so laut daß ich schreien mußte und an den ersten satz erinnere ich mich noch gut
"blutverschmiert lieg ich im schnee -"
nachts rollte sich der jeweilige matratzennachbar auf mich und mich hinein
und ich dachte das sei der preis den ich zahlen müsste
am morgen aber war ich wieder wie nicht existent.

wortlos, alle waren wortlos
obwohl sie doch mit parolen um sich warfen
ich verschwand in ihrer gruppierung und sie nahmen mich fraglos und benutzten mich
ich ließ sie denn nichts anderes war ich gewohnt als mit meinem leib zu zahlen an die männer
und die frauen waren still schauten giftig
ich war noch so jung und verstand nicht.

mir war kalt und keiner war im turm
ich musste warten und in dieser zeit beschloß ich mich in den schönen schnee zu legen und zu schlafen
würde keiner kommen dann eben für immer
sie aber kamen und liefen plaudernd an mir vorbei
einen hörte ich "kiek ma da die tussi!" sagen
ich stand auf und ging.

in berlin

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Letzte Aktualisierung: 2025.06.19, 14:19
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Das freut mich sehr! Willkommen zurück!
by sid (2025.06.18, 11:29)
dort gewesen
und da bin ich wieder.
by ach annemarie (2025.06.15, 13:47)

by sid (2024.07.27, 13:34)
trauer
das finale bild und gefühl zu meinem vater ist...
by ach annemarie (2024.07.24, 19:03)

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