annemarie
Samstag, 27. April 2019
mein ziel, an einem ganz normalen tag.
vor mir läuft ein schmaler, grauhaariger,
sein nacken steigt sehnig aus dem hemd und ich möchte ihn umarmen
und in bruderherz verwandeln
inmitten der masse laufe ich ihm hinterher
trauer haut mir
eine rechts eine links
die masse schiebt mich weiter.
endstation, ich entkomme ihr.
mein mobil klingelt, ich gehe nicht ran. es könnte o. sein, ich habe seine stimme im ohr.
aber er ist tot.
er kann es nicht sein.
also gehe ich nicht ran.
zuhause liegt vor der wohnungstür das osterrätsel der zeitung, arg verspätet.
sie ist ziemlich dement geworden, mein nachbarin.
das rätsel schiebe ich unter's kleine katzenklo, falls er wieder daneben pinkelt.
ohne zzup löse ich keines mehr.
ich schaue auf sein foto, er steht an einem bootssteg und lacht.
daneben hängt o., auf einem bootssteg, er lacht nicht.
umgedreht schaut mich axl an. sehr ernst.
ich drehe und drehe mich
möchte hinaus.
noch kurz bevor diese woge verebbt denke ich an die liebe.
ich kann nicht anders
weglaufen, wegdenken, wegfühlen geht nicht.
was für ein glückspilz ich bin.
ich habe geliebt und tu es noch;
ohne wenn ohne aber ohne trotzdem.
und will stürzen, fallen in das in dem sie alle sind:

und dann werde ich mir sagen können
daß ich alles verlebt habe
ohne zu hassen
ohne zu verbittern
ohne hart zu sein und zu brechen
nicht mich niemand anderen
nur
liebe.

wenn mein leben mich wieder auf den bauch geworfen und
über den asphalt ziehen will,
laufe ich eben auf dem kopfsteinpflaster weiter.

mandelkern

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Dienstag, 19. März 2019
gestern habe ich gelogen
und es fiel mir sehr leicht.
ich kann perfekt lügen, muß es dann aber sofort sagen.
das ist meine veranlagung.
nu, jedenfalls mußte ich einen digitalen radiokabelreceiver besorgen,
da hier bald alles abgestellt wird was nicht digital sondern analog ist.
nach der arbeit bin ich zielstrebig in einen technikmarkt, griff mir
meinen lieblingsverkäufer, schwatzte eine weile mit ihm und er riet mir
zu etwas, was ich vorher auch recherchiert hatte.
auf ihn kann ich mich immer verlassen.
da er mich zum ersten mal umarmte, ich mir das gerne gefallen ließ und
zurück umarmte ging ich wohl ziemlich strahlend durch die gänge,
richtung kassen.
ein mensch fischte meinen blick und fragte was, ich verstand nicht, fragte
was er fragte. obwohl ich erkennbar nicht zum verkaufspersonal gehörte.
wir standen bei den saftpressen und ich konnte nicht umhin ihm zu einer
analogen zu raten. wieviele orangen er denn pro tag ausdrücken müsse?
vier.
hm, dazu braucht es keinen strom. meiner meinung nach.
da er immer verzweifelter schaute unterbrach ich meinen energiesparvortrag
und ließ ihn zu wort kommen.
er wolle mit mir einen kaffee trinken.
a-ha.
ein mann, nicht leicht bestimmbar in welchem alter, aber einiges jünger als ich.
sehr gutaussehend, fein und individuell gekleidet.
lächelnd?
(letzteres kann ich bei fremden nicht von zähneblecken unterscheiden.)
ich sagte ich wäre eine alte frau und log in seine erwiderung hinein, daß ich 68 jahre alt sei.
(sogar ich konnte beim wegdrehen und gehen erkennen, daß er schockiert war.)
im grunde rannte ich fort, um zu verhindern diese lüge aufklären zu müssen.
gut, meine haare locken sich inzwischen den rücken hinunter, aber sie sind weiß!
mein gesicht ist voller furchen, falten und knitter.
kreuz und auch quer.
an der kasse fragte ich mich, was zum henker wollte der von mir?
mit guter laune fuhr ich nachhause, nicht weil ich so etwas als kompliment oder
ähnliches empfinde.
nein, ich hatte gelogen und es blieb dabei.
seit ich nichts mehr vom anderen geschlecht will, egal in welcher beziehung, musste ich,
höflich wie ich bin, mich einiger agressionen bei einem klarem "nein." erwehren.
da war dann hinterher nix mit guter laune.

zuhause fiel die laune doch in sich zusammen.
r. ist gestorben.
sanft, friedlich, nicht alleine.
sie wurde (fast) 98 jahre.
kennengelernt hatte ich sie ende 70er jahre, intensiven kontakt hatten wir seit dem letztem
jahr.
ein kämpferin, eine tänzerin, eine politikerin, eine kreative, eine bewußt-lebende, eine mutter.
eine starke und tolle frau.
früher hatte ich so großen respekt vor ihr, daß es an angst erinnerte; die zeit der letzten
monate war jedoch innig und mit zartem gefüllt.
von uns beiden.
dankbar bin ich dafür und froh um ihr ruhiges sterben.

funkel

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Samstag, 2. März 2019
einen satz in die unschuld und noch einen.
unter dem skelett des kreisel lege ich den kopf in den nacken,
(ob aus instikt oder habe ich es gehört?)
und sehe eine formation störche weit oben doch nahe beieinander
und den einem moment ziehe ich mit und denke an meine fruchtbarkeit,
die ich nie hatte,
und doch weiß ich was preßwehen sind, an denen andere schmutziges geld verdienten,
und doch wurde ich schwanger,
ganz früh von axl, der nie hätte befruchten dürfen,
nachdem ihm durch metalllene stollen seine hoden zerstört wurden,
er entschied daß keines geboren werden sollte,
bereute 30 jahre später zutiefst und ich wurde in den
folgenden jahren weiter schwanger und
verlor.

2013 dann wurden mir die so fruchtbaren teile entnommen, einiges neu
konstruiert und ich bleibe bis heute jungfräulich,
obwohl ich seitdem bilder, worte und gelassenheit gebar.

mandelkern

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Samstag, 16. Februar 2019
adieu -
Bruno Ganz
1941 - 2019

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Sonntag, 3. Februar 2019
vieles ist weitaus wichtiger,
aber ich bin ganz zufrieden, daß ich nun auch 58 jahre
gelebt habe.
in den letzten wochen wurde ersichtlich, daß ich in einer ruine lebe.
mein versprechen jedoch, welches ich meinem körper
gegeben habe, das halte ich.
keine weiteren ops mehr, keine künstlichen gelenke.
das schaffe ich auch noch.

und nun bitte - schnee!

funkel

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Sonntag, 27. Januar 2019
das neue jahr ist schon so alt, daß es keiner mehr wahrnimmt.
trotzdem wünsche ich allen ein gutes.

heute sind meine gefühle in den verästelungen meiner vorfahren; ich kann keinen
baum daraus erstellen.
zu viele sind nicht mehr befreit worden.
zu viele tabus, innerhalb der familie um eindeutigkeiten zu wissen.
nach dem lesen von christian berkels "apfelbaum" weiß ich, damit bin ich nicht alleine.
auch leningrad und 1 million hungertote beschäftigen mich.
ich mußte vorhin eine volle packung kakao wegschmeissen, zu alt, zuviele lebewesen darin.
die überlegung sie wieder aus dem müll zu holen:
hätten die menschen das damals gegessen?
ja.

beschämt steige ich auf mein neues ergometer und versuche nicht mehr zu denken.
mein chef hat mir seines, weil unbenutzt, vorbeigebracht.
(was habe ich einen tollen chef!
als wir darüber sprachen, fragte er ob nicht einer meiner freunde...? ach, sagte er
die sind ja alle tot. dann mach ich das.)
ich schaffe 7 minuten, mit dem vorherigen training ergibt das insgesamt eine stunde
ohne gedanken.
das tut gut.
ich muß da jetzt 2x am tag rauf und strampeln, denn ich habe eine galgenfrist.
in 5 wochen ist sie abgelaufen.
dann steht eine weitere operation an.
nach röntgen und mrt wollte man mich eigentlich sofort....ich aber verweigerte.
eigentlich soll ich ein künstliches kniegelenk bekommen.
eigentlich eigentlich eigentlich.

ich hab das gefühl zu zerbröseln, krümelig zu werden, auseinander zu fallen.
nein, kein normales altern.
ich doch nicht.
seit wann ist irgend etwas bei mir normal?
alt werde ich gerne, allein weil ich glücklich bin, es werden zu können.

wenn meine haare zwischen den schulterblättern hängen,
erschrecke ich.
so ungewohnt ist das.
als wäre ich neu, anders, eine andere person.
den jungs erzähle ich davon, lachen darüber muß ich allein.
ich erzähle ihnen jeden tag alles.
und sie fehlen mir so.
ab und zu kriecht eine idee in mir herum, sie lockt mich und funkelt.
aber ich habe nun zweimal am tag gelegenheit ihr zu entfliehen, obwohl sie ein
gedanke ist, tarnt sie sich als gefühl.
ich habe noch etwas zeit.
um zu kämpfen, mich zu schämen, voll wonne bratkartoffeln zu verschlingen, mich selber zu überraschen und mein haare bis zum a*** wachsen zu lassen.
meinen vorfahren zu gedenken.
und all denen, den gleich erging.
und ergeht.

myself in many words

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Donnerstag, 13. Dezember 2018
# januar bis oktober
die monate verflogen im wechsel zwischen lady r. und der akustik, wobei die betreuung
immer mehr zeit einforderte.
bis ich dann nicht mehr konnte.
und nicht mehr wollte.
hinzu kam lady h., in meinem haus; eine betreuung die auf die selbsständigkeit
von ihr ausgerichtet war.
von ihr und ihrer familie gewürdigt wurde.
so baute ich lady r.s wohnung pflegegerecht um und ging.

# im juni starb mein freund zzup.
ich hatte das gefühl, alles beginnt von neuem.
und doch wieder nicht.
kein sterben, keiner der toten ist miteinander vergleichbar.
kein trauern ist dem anderen ähnlich.
ma ging es sehr viel schlechter, aber sie hat es noch einmal geschafft.
von ihr muß ich meine zähigkeit haben.

# der juli.
beerdigung, begutachtung, bauen.
alles wird überdeckt vom arbeiten.
und ich übernehme noch eine betreuung.
eine, die mich jedes mal glücklich nachhause fahren läßt.
bis heute.

# august, september, oktober.
ein versuch urlaub zu machen scheitert.
erst die grippe, dann die gürtelrose.
was mich aufgerichtet hat, sind die folgen eines essens mit meinem chef.
einige meiner bilder hängen nun öffentlich herum.
er spricht davon, mich groß rauszubringen.
rausbringen allein reicht, erwidere ich.
was mich wieder ins schwanken bringt, ist der tod von o.
sein beerdigung im

# november
ist eine zäsur.
nachdem ich auf der steifen beerdigung unangenehm auffiel;
ich war die im feuerwehrroten mantel und den giftgrünen strumpfhosen unter 200
schwarzgekleideten menschen;
war ich gewillt etwas zu ändern.
nein, nicht die buntheit, die meinem o. mehr als gut gefallen hätte.
im gegenteil.
einen ansprechpartner und eine hilfestellung für die veränderung fand ich schnell.
schneller als gedacht.
somit verlasse ich mit dem

# dezember
dieses jahr.
und das mit lebensfreude, ohne meine alten ängste.
diese haben sich im november, nachdem sie über 50 jahre mit mir lebten,
friedlich verabschiedet.
so long.

# fazit:
durch und durch ein "so long!"- jahr.
ohne "see you".

myself in many words

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Donnerstag, 6. Dezember 2018
bin ja nicht lebensmüde....dafür aber ziemlich stolz.
ohne daß ich es forciert hätte war der moment da und ich outete mich gestern
vor pa.
nach 9 jahren sprach ich aus.
erst zerknautschte sich sein gesicht wie üblich in eine "was für quatsch" -
grimasse, das verging jedoch nach sekunden.
dann gingen wir durch die angehörigen und versuchten herauszufinden
woher es kam.
letztendlich schaute er mir ins gesicht und sagte "aber du bleibst die die du bist, es gibt
nun gute erklärungen dazu."
dann kam "und sag bloß nichts deiner mutter davon. du wirst es wohl von ihr haben."
ja pa, sagte ich, ich werde mich hüten ihr davon zu erzählen.

asperger

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Sonntag, 28. Oktober 2018
auch du mein o.
ich weiß nicht wie ich es aushalten kann.
soll.
o., über den ich hier vieles schrieb, den ich ich in den 80ern heiraten wollte, der mit seinem alkoholismus mich wegschleuderte und doch waren wir immer wieder uns nah.
nun ist wirklich keiner meiner liebsten mehr am leben.
ob freund, ob geliebter, ob mehr oder weniger als das.
alle sind nun tot.
ich denke ich stehe unter schock, aber ich fühle.
endlichkeit.
knallhart, ein naturgesetz.

mandelkern

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Dienstag, 23. Oktober 2018
fertig
nach einem grippalen infekt im urlaub - wann sonst? -
noch eine kopfgürtelrose bekommen ist einfach nur
besch****en.
aber wir wie immer habe ich glück im unglück, es wurde rechtzeitig erkannt.
keine gefahr mehr für die augen und ohren.
dafür, nein dagegen nun eine kleine chemo und ich könnte eigentlich wieder loslegen.
die rolle schweren papiers habe ich schon entstaubt.
aber zweimal die leiter hoch und runter hat mich fertig gemacht und ich muß wieder ins bett.

und:
als die notärztin wieder fort war, dachte ich daran, wie gut
ich es habe.
was für ein luxus, daß der arzt zu einem kommt.

gemurmelt

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und da bin ich wieder.
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by ach annemarie (2024.07.24, 19:03)

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